Am Mittwoch 19. Februar fand wieder das traditionelle Berlinale-Frühstück des Filmbüro NW statt. Im Rahmen…
„Da müssen wir was tun!“ Nachruf Gerhart Baum
Gerhart Baum war ein Freund der knappen Worte. Seine Mails unterschrieb er stets mit »Ihr Baum«, und wenn er eine auf zwei Stunden angesetzte Sitzung leitete, dauerte diese genau zwei Stunden. Als ich in den Kulturrat NRW berufen wurde, ging es um klassisches Theater und Bildende Kunst, nie um Film. Als Baum kam, änderte sich das. Er begriff die Einzigartigkeit der kulturellen Filmförderung in Nordrhein-Westfalen und die Bedeutung von Film und Medien im Gesamtgefüge der Kultur sofort. Immer, wenn die Filmbüro-Förderung in Frage gestellt wurde, abgeschafft oder reduziert werden sollte (und das war quasi in jedem Jahr so), empörte er sich. »Das ist unerhört! Ihr Baum.« Hastig hingeworfene Mails, denen Taten folgten. Es waren ohnehin seine liebsten Worte: »Da müssen wir was tun!« Dabei hatte er diese Energie in den Augen, eine unfassbare Jugendlichkeit in seinem Tatendrang. Wenn der WDR seine Orchester reduzieren wollte. Wenn es mal wieder den Theatern in NRW an den Kragen gehen sollte. Baum rettete immer, was zu retten war, sprach mit Entscheidern, trieb das Land zum Kulturfördergesetz NRW an. Seine Liebe zur Kultur war tief in seinen demokratischen Grundwerten verankert, ein Mensch ohne kulturelle Beschäftigung undenkbar. »Das geht so nicht! Da müssen wir was machen. Ihr Baum.«
Baum war ein feiner Mensch mit einem Glänzen in den Augen, mit einem subtilen Humor, der sich paarte mit messerscharfer Brillanz. Wenn man ihm von einem komplexen Zusammenhang in der Filmförderung berichtete, begriff er sofort alles und schritt im Nu zur richtigen Handlung. Seine moralischen Werte fußten auf dem Grundgesetz, der Demokratie, der Freiheit des Menschen. Er interessierte sich immer auch dafür, wie es einem persönlich ging. Irgendwann, in einer der knackigen Sitzungen, kam mir der Gedanke, dass der Name »Baum« sehr passend ist: Ein Baum, tief verwurzelt, standfest, sich auf der Mission des Guten und Richtigen von nichts beirren lassend. Andererseits passte der Name aber auch nicht, weil Gerhart Baum sich immer auch auf Neues einließ, seine Neugierde war kaum zu stillen. Zudem war er nie unverrückbar, er ließ sich immer durch das beste Argument überzeugen.
Das letzte Mal sah ich ihn vor einigen Monaten an der Straßenbahnhaltestelle Ubierring in Köln. »Herr Brüggenthies!«, schallte es erfreut über die beiden Bahngleise. Da stand er, gegenüber, wollte in die andere Richtung. »Herr Baum!«, schallte es erfreut von mir zurück. »Geht’s gut?« Wir unterhielten uns ein wenig, bis die einfahrenden Züge uns trennten, die Wartenden auf den Bahnsteigen waren wie ausgeblendet und er hatte immer noch dieses Strahlen und diese Energie in den Augen.
Mit Baum geht eine Ära, doch hoffentlich geht sie nicht, indem wir alle seinen spirit weitertragen.
Da müssen wir was tun!
Stephan Brüggenthies, 18. Februar 2025